1902 - Gründungsjahr der Marktredwitzer SPD.
Unmittelbarverbunden mit dem Aus- und Aufbau der Industrie - vornehmlich der Porzellanindustrie - begann in Marktredwitz die Arbeiterbewegung allmählich Fuß zu fassen. Als dort in der Zeit zwischen April und Juni 1902 ein Sozialdemokratischer Verein gegründet wurde, waren allein in den Marktredwitzer Porzellanfabriken mindestens 1000 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt.
Das genaue Gründungsdatum des SPD-Ortsvereines in Marktredwitz ist aufgrund des vorliegenden Quellenmaterials nicht exakt zu rekonstruieren. Dafür gibt es eine Reihe von Gründe: Für die bürgerliche Presse, und hier speziell für das "Marktredwitzer Tagblatt", war es zu dieser Zeit ein ungeschriebenes Gesetz, über Vorhandensein und Aktivitäten der Arbeiterbewegung nichts zu veröffentlichen. "Die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" - wie es in Bismarcks Sozialistengesetz aus dem Jahr 1878 noch geheißen hatte - fanden in den Zeitungen bürgerlicher Verleger und Redakteure um die Jahrhundertwende einfach nicht statt, wurden ignoriert, totgeschwiegen.
Relativ stark war dagegen bereits zu dieser Zeit die sozialdemokratische Partei presse und für den oberfränkischen Raum insbesondere die in Hof erscheinende "Oberfränkische Volkszeitung" sowie die "Fränkische Volkstribüne" aus Bayreuth. Im Jahr 1903 hatten beide Zeitungen immerhin schon zusammen mehr als 8000 Abonnenten. Das Dilemma hinsichtlich einer genauen Datierung der Gründung des Marktredwitzer Ortsvereins liegt darin begründet, dass ausgerechnet für das Jahr 1902, die sonst lückenlos archivierte "Oberfränkische Volkszeitung" nicht auffindbar ist, und dass die "Fränkische Volkstribüne" erst am 1. Januar 1903 wieder ins Leben gerufen wurde.
Aber nichtsdestotrotz: Das Jahr 1902 als Gründungsdatum des Marktredwitzer Ortsvereins ist gesichert. Am 20 März 1902 hieß es in einem "Bericht des Gauvorstandes für den Gau Nordbayern " in der "Oberfränkischen Volkszeitung": c Im Jahr 1902 wurden in folgenden Orten Sozialdemokratische Vereine gegründet: Berneck, Bischofsgrün, Gefrees, Goldkronach ... Markt Redwitz -- ", Weiter hieß es: "Die Zahl der Mitglieder der Sozialdemokratischen Vereine ist von 9000 auf nunmehr rund 15000 im Gau gestiegen. Alles in allem kann daher
wohl gesagt werden: Wir sind im Gau Nordbayern ein gutes Stück vorwärts gekommen. Das darf uns aber nicht hindern, die Organisation auszubauen und zu festigen. Jeder einzelne muss es sich zur Aufgabe machen, unermüdlich für die Sache des Proletariats zu kämpfen." Der Bericht endet mit dem leidenschaftlichen Appell: " Auf mit vereinten Kräften gegen Volksausbeutung und Unterdrückung, auf für die Freiheit und das Volkswohl! Vorwärts!
Dass sich Marktredwitzer Arbeiter bereits vor der Gründung eines eigenen Ortsvereins im Jahr 1902 für die Sache der Sozialdemokratie stark gemacht haben, beweist ein Bericht im "Marktredwitzer Tagblatt" vom 06. März 1900. unter der Überschrift "Lokales und Vermischtes" ist dort zu lesen: "Mkt. Redwitz. Heute findet dahier die Wahl des Reichstagsabgeordneten statt. Die Wahlhandlung beginnt vormittags um 10 Uhr und endet abends 6 Uhr. Im Inter- esse der für unseren Wahlbezirk so wichtigen Sache erlauben wir uns mit der Bitte, darauf aufmerksam zu machen, sich recht pünktlich und zahlreich zur Wahl einfinden zu wollen." In dem für die bürgerliche Presse der damaligen Zeit typischen Aufruf geht es weiter: "Die Sozialdemokraten bringen jeden Mann zur Wahlurne. Wähler in Stadt und Land! Wollt ihr den Wahlkreis an eine Partei, die gegen Religion, Sitte, und Ordnung anstürmt, verloren gehen lassen? Nein! Nein! Nein! Veteranen und alt gediente Soldaten, wollt Ihr denn, dass der Wahlkreis in die Hände eines vaterlandslosen Szialdemokraten fällt! Nein! Hundertmal Neinl"
Trotz dieser massiven Propaganda gegen den damaligen Reichstagskandidaten der SPD, Georg Frank, fielen auf die Sozialdemokraten mehr als 30 Prozent der in Marktredwitz abgegebenen Stimmen. In den noch selbständigen Gemeinden Dörflas und Oberredwitz kam der sozialdemokratische Kandidat sogar dann an die 40-Prozent-Marke. Auch Dr. Peter Seißer hat in seiner Arbeit über die "Sozialdemokratie in Wunsiedel" auf die Marktredwitzer Genossen vor 1902 bereits hingewiesen.
Danach beteiligten sich an einer Maifeier in Breitenbrunn am 05. Mai 1901 rund 50 Genossen aus Marktredwitz, im gleichen Jahr fand im August ein großes Porzellanarbeiterfest in Marktredwitz statt. Zahlreiche Marktredwitzer Arbeiter waren bis zur Gründung eines eigenen Ortsvereins bei den Wunsiedler Sozialdemokraten organisiert.
Genaues Zahlenmaterial und vor allem Namen von Marktredwitzer Genossen liegen dann erstmals für das Jahr 1903 vor. Die "Fränkische Volkstribüne" berichtet am 21. Januar 1903 über die Generalversammlung des Sozialdemokratischen Vereins Marktredwitz, die am 11. Januar abgehalten worden war. Auf der Tagesordnung standen Wahlen, die folgende Ergebnisse brachten: Zum ersten Vorsitzenden wurde Adolf Kuchenreuther gewählt, zweiter Vorsitzende wurde Hans Schieber, "an Stelle des früheren Kassiers trat Christof SchöffeI." Dieser Christof Schöffel war übrigens der erste Vorsitzende des Sozialdemokratischen Vereins Wunsiedel im Gründungsjahr 1900. Bis zur Gründung eines eigenen Ortsvereins in Marktredwitz betreute Schöffel von Wunsiedel aus die Genossen im Nachbarort mit. Zu Schriftführern wurden bei dieser ersten Generalversammlung die Genossen Neubauer und Lottes, zu Revisoren Neubert und Landgraf gewählt. In dem Bericht heißt es weiter, dass in der Versammlung darüber geklagt wurde, wie schwierig es für die SPD sei, in Marktredwitz ein Lokal oder einen Saal für Veranstaltungen zu bekommen.
Genaue Angaben zur Mitgliederzahl des Marktredwitzer Ortsvereins liegen ebenfalls erstmals 1903 vor. Im Gaubericht für dieses Jahr werden 82 Mitglieder genannt, die einschließlich eines Restbetrages aus dem Jahr 1902 - 32,20 Mark Jahresbeitrag aufgebracht haben.
Auch die ersten Wahlen nach der Gründung eines Ortsvereins brachten für die Marktredwitzer SPD dann überaus ermutigende Ergebnisse. An der Spitze lag dabei stets die damals noch eigenständige Gemeinde Dörflas, die bereits um 1900 Spitzenergebnisse über 50 Prozent für die Sozialdemokraten verzeichnen konnte. Nachdem der 1900 gewählte nationalliberale Reichstagsabgeordnete Johann Friedel im Mai 1902 tödlich verunglückt war, wurde im Wahlkreis Bayreuth - Berneck - Wunsiedel, zu dem auch Marktredwitz gehörte, eine Ersatzwahl erforderlich. Im ersten Durchgang erzielte der sozialdemokratische Kandidat Karl Hugel, Schneidermeister aus Bayreuth, in Marktredwitz 163 Stimmen (=38 Prozent), in Dörflas 91 (= 52 Prozent) und in Oberredwitz 41 (=42 Prozent). Eine nach dem damaligen Wahlgesetz notwendige Stichwahl brachte schließlich folgendes Ergebnis: Auf den Kandidaten der Liberalen, Professor Hagen, entfielen in den drei Gemeinden 483 Stimmen oder 55 Prozent, auf den Sozialdemokraten Hugel 395 Stimmen oder 45 Prozent. Herausragend hier wieder das Ergebnis in Dörflas, wo Hugel wieder 52 Prozent aller Stimmen auf sich vereinigen konnte.
Welche Folgerungen lassen sich aus diesen trockenen Zahlen ziehen? Trotz massiver Behinderungen, es war zum Beispiel äußerst schwierig, Lokale für Veranstaltungen zu bekommen, und einer Kampagne der bürgerlichen Presse gegen die SPD, gelang es den Marktredwitzer Genossen bereits in den ersten Monaten nach der Gründung ihres Ortsvereins beachtliche Wahlerfolge zu erringen, dies sollte sich in den kommenden Jahren fortsetzen.
1. Mitgliederzuwachs und Protestaktionen
Die positive Entwicklung der Marktredwitzer Sozialdemokraten in den ersten Jahren nach der Gründung eines eigenen Ortsvereines schlägt sich auch in den Mitgliederzahlen nieder. Innerhalb von drei Jahren hatten sich die Mitglieder im Jahr 1906, auf 182 Mitglieder, mehr als verdoppelt. Ein Jahr später gehörten bereits 204 Genossinnen und Genossen der Partei in Marktredwitz an. Dass sich zu dieser Zeit auch einiges rührte, beweisen die zahlreichen Veranstaltungen. Allein im Jahr 1907 wurden elf Mitgliederversammlungen und zwölf öffentliche Kundgebungen durchgeführt.
Im gleichen Jahr fanden wieder Reichstags- und Landtagswahlen statt. Zur Stichwahl am 4. Februar traten emeut der sozialdemokratische Kandidat Karl Hugel und der Liberale Hagen an. Von den in den drei Wahlbezirken Dörflas, Oberredwitz und Markt Redwitz abgegebenen 1380 Stimmen fielen auf den SPD-Kandidaten 649 (=47 Prozent), auf den Liberalen 731 (=53 Prozent). Bei der Landtagswahl ereichte der SPD Kandidat Hans Panzer aus Bayreuth in Dörflas und Redwitz insgesamt 268 Stimmen, sein liberaler Gegenkandidat 444.
Wie notwendig gerade in diesen Jahren eine starke und kämpferische Arbeiterbewegung mit den Gewerkschaften und der SPD an der Spitze war, mögen folgende willkürliche Beispiele aus dem Alltagsleben der damaligen Menschen belegen. Der ehemalige Bürgermeister Dr. Winter forderte bei der Generalversamm I ung 1909 der kurz vorher gegründeten Baugenossenschaft zum Kampf gegen "Wohnungsnot und Wohnungselend" auf. Die heftige Opposi- tion gegen die Gründung der Baugenosseschaft seitens der Hausbesitzer, die in der Genossenschaft eine Schädigung ihrer Interessen sahen, wiegelte Winter mit dem Argument ab: "Für die hier bestehenden mehr oder minder primitiven Arbeiterwohnungen ist stets jemand vorhanden," was wohl nur heißen kann, dass selbst die größte Bruchbude noch immer an eine Arbeiterfamilie vermietet werde konnte.
Ein Bierboykott, der von Wunsiedel ausging, schwappte 1909 auch nach Marktredwitz über und verdeutlicht auf augenfällige Weise die Sol idarität unter vielen Arbeitem. Zur Vorgeschichte: Ein Sozialdemokrat und Gewerkschafter war aus der Hönicka Brauerei in Wunsiedel entlassen worden, offiziell wegen Arbeitsmangel, in Wirklichkeit aber wegen seines politischen Engagements. Gewerkschaften und SPD riefen daraufhin zu einem Boykott der Brauerei Hönicka auf, der schließlich wegen Lohnstreitigkeiten auch auf die Brauerei Kastner in Marktredwitz ausgedehnt wurde. Folge des Boykottaufrufes war es, dass in etlichen Wunsiedler und Marktredwitzer Lokalen zeitweise andere Biersorten als die beiden boykottierten ausgeschenkt wurden. Die Situation spitzte sich zu, als am 1. Mai 1910 zusätzlich der Bierpreis erhöht werden sollte. Im gleichen Jahr fanden in Marktredwitz Protestversammlungen gegen Milch- und Fleischverteuerungen statt. Die Marktredwitzer Sozialdemokraten riefen am 10. September zu einer "öffentlichen Volksversammlung" gegen die "herrschende Fleischteuerung" auf. In dem Aufruf hieß es unter anderem: "Millionen der werktätigen Bevölkerung haben unter der herrschenden Fleischteuerung schwer zu leiden. Tausende von Arbeiterfamilien müssen auf den Fleischgenuss vollständig verzichten, oder sich mit Fleisch der minderwertigsten Sorte begnügen."
2. 1911 - Einzug in den Stadtrat
Zum ersten Mal in ihrer Geschichte beteiligten sich die Marktredwitzer Sozialdemokraten am 9. November 1922 mit einer eigenen Vorschlagsliste an den Gemeindewahlen. Wahlberechtigt waren dabei nur die Inhaber des Bürgerrechtes, das wiederum vom Steueraufkommen des einzelnen abhängig war oder erkauft werden musste. In einem Bericht über eine Magistratssitzung aus dem Jahr 1911 heißt es in diesem Zusammenhang: "Folgende Personen wurde das Gemeindebürgerrecht verliehen: 1. dem Fabrikarbeiter Johann Scharf, 2. dem Fabrikarbeiter Georg Legath, 3. dem Streckenwärter Josef Höcht, 4. dem Fabrikarbeiter Johann Müller, 5. dem Fabrikarbeiter Eduard Busch, und zwar Scharf, Müller, Legath und Busch gegen 64 Mark und Höcht gegen 100 Mark Aufnahmegebühr." Bedenkt man, dass ein Fabrikarbeiter damals ungefähr zwei Mark am Tag verdiente, kann man leicht ermessen, was es für ein Mitglied der Arbeiterklasse bedeutete, das Bürgerrecht zu erwerben. Und dennoch ~ das Wahlergebnis im Jahr 1911 konnte sich für die Sozialdemokraten durchaus sehen lassen.
Von den zwölf zu vergebenden Magistratssitzen fielen immerhin zwei an die bei den Spitzenkandidaten der SPD: an Michael Weiß, Gewerkschaftssekretär, und an Emanuel Theuerling, Porzellanmaler. Als Ersatzleute wurden damals für die SPD gewählt: Josef Schall - Lagerist, Moritz Müller - Schlosser, Johann Layritz - Kutscher, Fritz Deuerling - Porzellandreher, Christoph Stöberer - Former, Josef Riedl - Porzellanmaler und Johann Puchta. Michael Weiß wurde übrigens in den folgenden Jahren zusammen mit dem Porzellandreher Kaspar Schmidt zur führenden Persönlichkeit in der Marktredwitzer SPD. Vor allem Kaspar Schmidt rief immer wieder zu öffentlichen Volksversammlungen auf, in denen spezielle Marktredwitzer Themen, aber auch Fragen von allgemein politischer Bedeutung erörtert wurden. Wer von den bei den nun das Amt des Vorsitzenden ausübte, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
3. "Burgfrieden" während des Ersten Weltkrieges"
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, an dessen Ende rund zehn Millionen Tote zu beklagen waren, begann für die deutsche Sozialdemokratie ein historischer Einschnitt mit zwiespältigem Charakter. Zum einen gelang es, mit der Novemberrevolution 1918 die Monarchie zu stürzen und den ersten demokratischen Staat auf deutschem Boden zu erreichen, zum anderen zerbrach die Sozialdemokratie selbst in zwei Lager im Zusammenhang mit der Kriegsfrage. Eine der schwärzesten Stunden in der Geschichte der SPD dürfte dabei die Zustimmung zum sogenannten "Burgfrieden" mit allen anderen Parteien gewesen sein. Dadurch sollten innenpolitische Diskrepanzen während der Kriegsdauer außer acht gelassen, und nur die gemeinsamen Kriegsziele verfolgt werden. Auch stimmte die SPD im Reichstag den geforderten Kriegskrediten zu.
Wie verblendet, verführt und irregeleitet Menschen werden können, beweist ein Bericht im "Marktredwitzer Tagblatt" vom 3. August 1914, in dem die Stimmung unter der Bevölkerung bei Ausbruch des Krieges beschrieben wird: "Schon am Samstag, nachmittags 5 Uhr, war dahier das Gerücht verbreitet, dass der Krieg mit Russland erklärt sei. Infolgedessen sammelte sich vor dem Rathause ein zahlreiches Publikum an, das auf das Eintreffen amtlicher Nachrichten wartete, jedoch bewahrheitete sich dieses Gerücht nicht." "Die Unruhe infolge Fehlens jeglicher Nachrichten wuchs immer mehr bis um 8 Uhr unser Extrablatt, dass der König die Mobilisierung der beyensehen Arme~ angeordnet habe, der Ungewissheit ein Ende machte. Als dann kurz nach 9 Uhr die Mobilmachung amtlich durch die Glocke bekannt gegeben wurde, herrschte unbeschreibliche Begeisterung."
"Herr Musikdirektor Ponader ließ sofort vom Turm der protestantischen Kirche die Nationalhymne "Deutschland, Deutschland über alles" erschallen, und die dichtgedrängte Menschenmenge sang sie entblößten Hauptes mit. Das Hoch auf Deutschland fand begeisterten Widerhall. Herr Pfarrer Kaestner hielt eine vom patriotischen Geiste durchdrungenen Rede, die die Menge mit fortriss." "In den Augen der Frauen standen Tränen. Die Klänge der "Wacht am Rhein", die brausend in die Nacht hinein klangen, gaben der Begeisterung freudigen Ausdruck. So herrschte eine Stimmung, wie sie wohl seit den Tagen der Mobil machung 1870 nicht mehr zu beobachten war. Erst ganz allmäh I ich verl ief sich die Menge, um in den Wirtschaften die Debatte über die so tiefeinschneidenden Ereignisse fortzusetzen."
Auch die Vertreter der Marktredwitzer Parteien kamen im Herbst 1914 überein wegen des Krieges keinerlei politische Agitation gegeneinander zu betreiben: Anlass für diese Übereinkunft war die für den 23. November anstehende Gemeindewahl, und zwar wurden acht Magistratsmitglieder neu gewählt, da nach der damaligen Gemeindeordnung im Dreijahresturnus jeweils ein Drittel des Magistrats ausscheiden musste. Von den acht Kandidaten der SPD wurde Kaspar Schmidt schließlich gewählt. Allen Kriegen, gleichgültig, ob gerecht oder ungerecht, heilig oder profan, sauber oder schmutzig, ist eines gemeinsam: Sie gehen immer und zu aller erst auf die Kosten des "einfachen Volkes." Das gilt in gleichem Maße für die Glaubenskriege des 17. Jahrhunderts wie für das massenhafte Dahinschlachten von Menschen im vergangenen Jahrhundert. Vor allern die schwächsten Glieder einer Gesellschaft bekommen die Geisel des Krieges stets am stärksten zu spüren. Auch für die Marktredwitzer Bevölkerung bedeutete der Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine Zeit der Not und Entbehrung. Bereits im Frühjahr 1915 wurden Brot und Mehl nur noch gegen Marken ausgegeben. Die Gewerkschaften organisierten in eigener Regie die gelegentliche Ausgabe von Fleisch an ihre Mitglieder. Der Magistrat appellierte an die Bürger, jede zum Anbau von Kartoffeln und Gemüse geeignete Fläche zu nutzen.
4. SPD wird stärkste Stadtratsfraktion
Das Wahljahr 1928 begann für die Sozialdemokraten mit einer gut besuchten Wahlversammlung im Kastnerbräusaal, bei der der Bayreuther Landtagsabgeordnete Steeger sprach. An der Kundgebung beteiligte sich auch eine größere Zahl von Nazis, an deren Spitze der spätere Gauleiter Hans Schemm aus Bayreuth. Dessen Beiträge wurden von seinen Anhängern "mit stürmischen Heilrufen" aufgenommen." Insgesamt muss es in dieser Versammlung recht turbulent zugegangen sein. Drei Tage später, am 24. Januar 1928, hielt der spätere Nazi-Propaganda-Minister Joseph Goebbels eine Wahlkampfrede in Marktredwitz. Bei der Reichstagswahl am 20. Mai erreichte die SPD dann mit 27 Prozent das beste Ergebnis unter den 20(1) Parteien, die bei diesen Wahlen kandidiert hatten. Zehn Prozent entfielen auf die KPD, während die Propagandamaschinerie der Faschisten erstmals Früchte trug, denn sie kamen mit 18 Prozent Stimmanteil nach der SPD immerhin auf Rang 2. Bei den gleichzeitig durchgeführten Wahlen zum oberfränkischen Kreistag, der in etwa dem heutigen Bezirkstag entspricht, verbuchten die Marktredwitzer Sozialdemokraten einen überragenden Erfolg, denn Robert Kühnert hatte es geschafft, in den oberfränkischen Kreistag einzuziehen. Auf ihn waren insgesamt 11142 Stimmen gefallen.
Vier von zwölf Mandaten errang die SPD bei den Stadtratswahlen am 8. Dezember 1929, und wurde mit 1229 Stimmen stärkste Fraktion in diesem Gremium. Mit nur 272 Stimmen landete die NSDAP hier auf dem fünften Platz (kein Mandat) von den insgesamt sieben zu den Wahlen angetretenen Parteien. Die Mitglieder, die die SPD in den Stadtrat entsenden konnte, waren Robert Kühnert, Max Kuttenfelder, Peter Müller und Christian Kabius. Als Ersatzleute wurden der Porzellanmaler Hans Neubauer, der Glasarbeiter Josef Karban, der Porzellanmaler Fritz Kleiber, die Eisendreher Hans Lederer und Andreas Wopperer, der Hafenmacher Robert Graske, der Former Michael Lober und der Schlosser Robert Haberzett.
Die Marktredwitzer SPD seit 1945:
Fortsetzung folgt.